Toyota RAV4 Plug-in-Hybrid: Pragmatiker mit inneren Werten

Seite 2: Assistenten, Laden, Preispolitik, Fazit

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Toyotas Hybridantrieb funktioniert so anders als alle von herkömmlichen Antrieben abgeleitete Lösungen, dass man ihn als "genial" bezeichnen muss: Zwei Elektromotoren sowie der Saugmotor sind kupplungsfrei über ein Planetengetriebe miteinander verbunden. Die eine E-Maschine (interner Jargon: MG2) läuft immer, wie bei einem Elektroauto. Im Schiebebetrieb arbeitet dieser E-Motor als Generator und speist dann Bewegungsenergie in die Batterie. Der zweite E-Motor (MG1) kann dazu ebenfalls herangezogen werden. Er arbeitet darüber hinaus auch als Anlasser oder als Generator, um überschüssige Leistung des Verbrennungsmotors zu puffern. Darüber hinaus regelt er elektronisch gesteuert über das Planetengetriebe die zur Fahrsituation passende Übersetzung zwischen Verbrennungsmotor und MG2 ein.

Der Verbrennungsmotor läuft dank auf Ein- und Auslassseite variablen Ventilsteuerung in weiten Bereichen ungedrosselt. Ein im Vergleich zum verkürzten Kompressionshub fast doppelt so langer Arbeitshub nutzt nach einer besonders kurzen Brenndauer die Ausdehnung des Gases deutlich effizienter. Unterstützt wird dieser nach seinem Erfinder Atkinson benannte Zyklus durch ein "überquadratisches" Bohrungs-Hub-Verhältnis (also mit einer Bohrung, deren Durchmesser deutlich kleiner ist als der Kolbenhub. Nicht nur kommt der Antrieb so auf einen konkurrenzlosen Wirkungsgrad von bis zu rund 40 Prozent, er spart auch teure, schwere und verschleißanfällige Bauteile wie Kupplung, Schaltgetriebe, Turbolader und Anlasser ein.

Hobbydynamiker mit digitaler Hektomatik-Fahrweise wird man im RAV4 Plug-in-Hybrid wohl nicht finden. Denn sie wurden bestenfalls von ihm umerzogen oder haben das Fahrzeug nach wenigen Kilometern kopfschüttelnd verlassen. Denn es macht keinen Spaß, den RAV4 zu hetzen. Oder besser gesagt, es macht Freude, mit ihm souverän zu "cruisen". Tritt man ihn, tönt er wie eine empörte Kuh, die man per Dartpfeil aus ihrem Mittagsschlaf geschossen hat. Bei Rundenzeitenhatz in Wechselserpentinen lässt einen der hohe Schwerpunkt zudem schnell seekrank werden. Dabei ist das SUV beileibe nicht lahm, wenn es sein muss, ist der RAV4 sogar ein ziemlich flottes Auto. Nur animiert er eben nicht dazu, von der kompletten Systemleistung häufig Gebrauch zu machen.

Toyota RAV 4 Plug-in Hybrid Innenraumdetails (7 Bilder)

Das Kombiinstrument mit zwei physischen Zeigerinstrumenten, die einen Bildschirm einrahmen ist sehr gut ablesbar. (Bild: alle Florian Pillau)

Für Otto-Normal-Fahrer ohne Rundenzeitenfetisch oder Gourmetansprüche ans Fahrwerk ist der RAV4 ein erfreuliches Auto. Er macht, was er soll. Viel besser als bei anderen Fahrzeugen asiatischer Provenienz sind auch die Assistenzsysteme. Gigantisch: Die Spurverlassenswarnung warnt nur, wenn man die Spur verlässt. Das gibt es sonst so gut wie nirgends. Man kann den Toyota tatsächlich entspannt fahren, ohne das ganze Assistenzgedöns vorher deaktivieren zu müssen. Mich hat das Fahren im RAV4 an das gediegene Cruisen in einem Volvo erinnert.

Leider ist nur ein Lader mit einphasig ausgelegt. Bei 6,6 kW ist Schluss. Mit einer der geförderten Wallboxen lädt der RAV4 nur mit 3,7 kW. Der Stromverbrauch inklusive Ladeverlusten lag im Test Ende Februar bei 20,7 bis 21,9 kWh/100 km. Das entsprach für Martin auf zurückhaltender Landstraßenfahrt maximal 71 km rein elektrische Reichweite. In der Stadt kam ich sogar auf knapp 80 km. Das ist ungefähr doppelt so viel, wie ein BMW X3 xDrive30e schafft. Die Temperaturen lagen im Testzeitrum zwischen Null und fünf Grad. Bei höheren Temperaturen dürfte der Stromverbrauch weiter sinken. Das zeigt, dass ein Plug-in-Hybrid nicht zwangsläufig verbrauchsintensiv sein muss – sofern der Hersteller einen gewissen Aufwand betreibt.

Die Preispolitik von Toyota ist ein starkes Stück. Es gibt ein komplett ausgestattetes Grundmodell mit allen wichtigen Features für 47.490 Euro. Sogar Luxus wie ein beheiztes Lederlenkrad, Sitzheizung vorn und hinten, schlüsseloser Zugang, adaptiver Tempomat, Rückfahrkamera inklusive Einparksensoren vorn und hinten, Apple CarPlay bzw. Android-Auto gehören zur Grundausstattung. Toyota macht einem die Bestellung dieses empfehlenswerten Grundmodells aber ästhetisch nicht ganz einfach. Es ist nämlich nur in der Farbe weiß erhältlich.

Wer eine "richtige" Farbe will, muss für aberwitzige 7900 Euro ein Paket mit allerlei unnützem Tand und einem schlechten Navi dazukaufen, um dann 800 bis 1100 Euro für eine Metalliclackierung zusätzlich ausgeben zu dürfen. Realistisch beginnt der RAV4 Plug-in Hybrid also bei 56.180 Euro Listenpreis ohne Abzüge. Das Metallicrot unseres Testwagens kostet noch einmal 300 Euro mehr. Eine Alcantara-Lederpolsterung gibt es dann für 1500 Euro Aufpreis.

Ein großes Panorama-Schiebedach ist nur im Rahmen der absoluten Vollausstattung mit elektrisch verstellbaren Vollledersitzen inkl. Memory und Belüftung, JBL-Soundsystem usw. usw. erhältlich. Ein solcher Luxus-RAV4 "mit allem" kommt dann auf 62.180 Euro Bruttolistenpreis. Trotz seines vergleichsweise wenig ingeniösen Hybridantriebs könnte ein Seat Tarraco PHEV (Test) für knapp 10.000 Euro weniger die im Alltag überlegenswerte, ähnlich große Alternative sein. Für rund 60.000 Euro eröffnen sich auch die Chancen auf eine Reihe von elektrischen SUVs, die den sparsamen RAV4 in der Gesamtbilanz nochmals deutlich unterbieten.

Wer also viel Geld für ein Auto ausgeben kann, aber einen komplett pragmatischen Zugang dazu hat, wird mit dem Toyota RAV4 ein intelligentes Werkzeug für alle Lebenslagen und einen treuen Begleiter erwerben. Als Image-Statement taugt der RAV nur unter Toyota-HSD-Initiierten und Emotionen sollte man nicht im Auto suchen. So gesehen ist der RAV4 Plug-in Hybrid ein ehrliches Auto für die heutige Zeit. Emotionen kriegt man ja auch bei den Premium-Modellen meist nur noch als stilbrüchige Halbherzigkeiten zu unverschämten Preisen gereicht. Obwohl: Unverschämt ist die Preisliste bei Toyota auch.

Das Auto wurde von Toyota gestellt und geliefert, Kosten für Fahrenergie übernahm die Redaktion.